Libertas Mentis I - Todsünden
„Wie konnte das nur geschehen.“ seufzte ich, und strich die Falten aus dem blutverkrusteten Söldnerwimpel an meinem Gürtel, irritiert bemerkend, dass der größte Teil der des bräunlichen Belags wohl mein ehemaliger Lebenssaft war.
Die handvoll Überlebender hatte sich um das Feuer gesammelt. Wahrscheinlich würden wir die nächste Attacke der unsterblichen Dämonenhorde nicht mehr überleben, zu viele von uns waren in den Kämpfen des Tages gefallen und auf der Seite der Feinde widerauferstanden. Ich sah in den Gesichtern eine schwere, tiefe Erschöpfung unter all dem verkrusteten Blut und schmutzigen Verbänden. Und wohl nicht nur mir schien der Gedanke des gnadenvolles Todes als Erlösung, ein endlich süße Ruhe, damit dieser Alptraum endlich ein Ende haben möge.
„Wir können nicht mehr lange widerstehen. Ohne Alternative werden wir keinen Sonnenaufgang mehr erleben.“ Malek bin Neer, der südländische Söldner in schwarzen Gewändern mit Turban und einer beeindruckenden Klinge, öffnete sich gerade eine nässende Fleischwunde am Bein.
„Alle vernünftigen Pläne sind gescheitert, dann bleibt nur noch das Unvernünftige.“ Haquim Asskaron, einer der erfahrensten Söldner in der Runde mit einer exotischen Filzfrisur, grinste auf die ihm typische, ansteckende Art in die kleine Runde.
„Und was soll das bitteschön sein, Herr Asskaron?“ lächelte Morcass zurück, 2ter Commisionaire der Söldner, nahm einen tiefen Schluck vom Scharfen und reichte die Flasche an Haquim weiter.
„Offensichtlich hatten die Dörfler doch recht. In diesem Altar im Wald wohnen die sieben Todsünden, und die haben von unseren Freunden und ihren Truppen Besitz ergriffen.“ Haquim nahm einen tiefen Schluck, und wischte sich mit dem Handrücken den Mund.
„Und wie soll uns das helfen? Wir werden wohl kaum mit zehn Klingen gegen die besessenen Adler, Anagantios, Greifenpack und viele weitere alter Söldnerhaudegen überleben, die ja neuerdings unsterblich scheinen. Vielleicht kann ich ja das Dämonische aus ihnen herausparlieren, auf ihre Tugenden pochen - oder sie fragen, was Ihre Mutter wohl dazu sagen würde, mmh?“ zischte ich zynisch, griff mir die Flasche Scharfen und nahm einen tiefen, betäubenden Schluck.
„Ihr mögt zwar tatsächlich die Schindeln auf das Dach reden können, aber das wird hier nicht helfen, Sturmhart. Nein, wie im alten Buch der Todsünden geschrieben, das wir gefunden haben, sollten wir unsere Waffen je einer Tugend am Altar weihen, um der entsprechenden Todsünde im Kampfe gegenüberzutreten. Mann gegen Mann, während die Anderen den Rücken freihalten.“
Schweigende Zustimmung war am Lagerfeuer zu hören, nur unterbrochen vom Knacken der Glut und dem Zischen, als sich Malek bin Neer den Scharfen auf seine Wunde goss, um sie zu säubern.
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Im September 2011 trafen sich Söldner aus Herren Länder in Unterfranken, um dem Ruf des Magiers Linus Ostrea zu folgen, für Sold einen kleinen Waldspaziergang zu machen. Auf dem schön gelegenen Gelände des Jugendzeltplatzes Christelried entsponn sich aus einem freundschaftlichen „Klassentreffen“ der einschlägigen Mietlinge und des Greifenpacks ein stimmungsvolles Horrorszenario, das an Kämpfen und Ambiente kaum zu wünschen übrig ließ. Konfrontiert mit den Abgründen des eigenen Charakters – und bei strahlenden Sonnenschein - gelang des der Orga, aus einem vis-á-vis Setting einen gelungenen PremierenCon zu bieten, der allen Teilnehmern sicher in positiver Erinnerung bleiben wird und Vorfreude auf eine mögliche Fortsetzung macht. Insbesondere sei hier auch erwähnt, wie LARP eine Brücke zwischen Nord- und Süddeutschen und auch Schweizern bauen kann, vom Austausch lukullischer Spezialitäten bis hin zum facettenreichen Liedgut der europäischen Regionen am abendlichen Lagerfeuer. Daher möchte ich mich bei den Veranstaltern für diesen gelungenen Söldnercon (bei dem es übrigens auch anständigen Chartasold gab) und ihre Mühe und Arbeit bedanken – auf ein Libertas Mentis 2012!